23 luglio 2021

Wilde Streiks & Solidarfonds. Neue Formen der Solidarität

Die Arbeitswelt verändert sich. Doch, wo sich neue Geschäftsmodelle bilden, müssen auch Fragen des Arbeitsrechts neu verhandelt werden. Wie sehen neue Solidarformen und soziale Absicherungen dieser Zeit aus?

Durch die sich ändernden Arbeitsverhältnisse und die neuen Rollen auf dem Arbeitsmarkt werden die Gewerkschaften mit neuen Formen der Solidarität konfrontiert. Deutlich wird, dass es immer wieder Arbeitgeber*innen gibt, die verstärkt darauf achten, dass sich die Mitarbeiter*innen nicht in etablierten Gewerkschaften verbinden. Das gilt auch für die Riders, die teilweise nur noch sehr kurzzeitig oder selbstständig für ein Unternehmen tätig sind.

Wilde Streiks bieten solchen Gruppen die Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen. Sie sind kollektive Arbeitsniederlegungen, die unabhängig von Gewerkschaften organisiert werden.

Rechtlich gesehen, gilt ein wilder Streik als bloße Arbeitsverweigerung, gegen die der/die Arbeitgeber*in auch mit einer Kündigung vorgehen kann, da dieser einen Verstoß gegen den Arbeitsvertrag darstellt. Wilde Streikende sind weder von Gewerkschaften noch von Betriebsräten vor Kündigungen geschützt.

Die Proteste der Gorillas-Mitarbeiter*innen

Der wilde Streik der Gorillas-Mitarbeiter*innen hat in letzter Zeit große Aufmerksamkeit geweckt. Das 2020 gegründete Unternehmen bietet einen Lieferdienst für Lebensmittel und Supermarktprodukte in Großstädten und verspricht eine Lieferung innerhalb von 10 Minuten.

Die schlechten Arbeitsbedingungen der Lieferunternehmen sind allen bekannt. Laut Welt verdient man bei Gorillas 10,50 Euro pro Stunde. Lieferando und Foodora zahlen Löhne in der Nähe des Mindestlohns. Die Arbeitssoziologin Frau Mayer-Ahuja erklärt in einem Artikel der Taz:
„Es gibt Lieferdienste, die Arbeitsverträge abschließen, und andere, die mit Alleinselbstständigen arbeiten. Bei vielen Essenslieferdiensten und Paketzustellern ist Letzteres gang und gäbe. Hier gibt es keine soziale Sicherung. Bei Lieferdiensten mit Arbeitsverträgen gibt es oft sehr kurze Befristungen. Die Beschäftigten von Gorillas kritisieren die sechsmonatige Probezeit und die auf ein Jahr befristeten Verträge danach. Auch die Löhne sind nicht besonders hoch, wir bewegen uns da im Mindestlohnbereich. Oft sind es Minijobs, wodurch man nicht sozialversichert ist, keine Rentenansprüche erwirbt und auch bei Arbeitslosigkeit nicht abgesichert ist. Übrigens hat man da auch keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Die meisten, die hier arbeiten, machen das nicht langfristig. Das liegt auch an den Arbeitsbedingungen.“

Die Riders des Start-Ups Gorillas haben in den letzten Wochen zwei Warenhäuser blockiert. Grund dafür soll die Kündigung eines Mitarbeiters sein, der angeblich zu spät zur Arbeit kam. Die Gorillas Mitarbeiter*innen kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen und die Gründung von Betriebsräten. Die Fahrer*innen haben sich als „Gorillas Workers Collective“ organisiert, um eine gemeinsame Stimme für Forderungen und Verhandlungen zu haben.

„Die größte wilde Streikwelle gab es in den 1970er Jahren in den Industriebetrieben Westdeutschlands. Interessant ist, dass diese zu überragenden Teilen von Gast­ar­bei­te­r*in­nen getragen wurde. Historisch wurden die Interessen von Gast­ar­bei­te­r*in­nen durch die Gewerkschaften nicht oder deutlich schlechter vertreten, sie waren Ar­bei­te­r*in­nen zweiter Klasse. Spannend ist, dass auch bei Gorillas sehr viele migrierte Menschen arbeiten, die sich an den Aktionen beteiligen. Das mag mit den besonders prekären Arbeitsbedingungen von migrierten Menschen zusammenhängen. Oder mit einer politischen Sozialisation außerhalb Deutschlands.“ – erklärt Simon Duncker von der unabhängigen Basisgewerkschaft „Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union Berlin“ (FAU Berlin) in einem Artikel der Taz.

Die FAU Berlin hat sich mit den Gorillas Mitarbeiter*innen solidarisch erklärt. Als Basisgewerkschaft setzt sie sich für marginalisierte Arbeiterschaften ein und will auch die kulturellen und sozialen Interessen ihrer Mitglieder wahren. Die FAU Berlin fördert außerdem den Geist der Solidarität und des Zusammenhalts mit dem Ziel, „die solidarische Zusammenarbeit von Lohnabhängigen über Organisations-, Branchen- und Ländergrenzen hinweg auszubauen.“

Wie können sich wilde Streikende organisieren?

Die klassischen Gewerkschaften verfügen über einen Streikfonds oder Streikkasse, durch die sie Streikgelder an die Streikenden zahlen können. Das ermöglicht, dass die streikenden Gewerkschaftsmitglieder*innen ein Ausgleich für den Verdienstausfall bekommen. Was passiert bei den Mitarbeitenden, die wild streiken und sich stattdessen unabhängig organisieren? Sie können Spenden in einem Solidartopf sammeln und damit ihre Streiks und eventuelle Lohnausfälle finanzieren.

Mit dem elinor Gruppenkonto bieten wir die Möglichkeit, einen Solidarfonds einzurichten. Es handelt sich um kein privates Bankkonto, sondern um ein Gruppenkonto, mit dem Kollektive gemeinsam ihr Geld sammeln und verwalten können. Es braucht dafür keine Rechtsform oder Institution, sondern nur eine Gruppe von Menschen, die ein gemeinsames Ziel, einen Wunsch oder eine Not haben. Mit wenigen Klicks stellt elinor Kontodaten zur Verfügung und die Unterstützer*innen können sofort einzahlen. Des Weiteren haben alle Mitglieder eines Gruppenkontos jederzeit Einblick in alle Ein- und Auszahlungen. Über alle Auszahlungen wird gemeinsam entschieden.

 

Beitrag von Chiara Marchi

Photo by Clem Onojeghuo on Unsplash

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